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Autor: Nicole Weikmann

Einfach machen! Digitalisierung gelingt nur gemeinsam

Expertenrat veröffentlicht Katalog mit Hindernissen, die eine umfassende digitale Transformation der Transportlogistik bremsen, sowie Lösungsszenarien.

Als Ergebnis seiner zweiten Sitzung empfiehlt der Expertenrat Digitale Transformation in Transport & Logistik (ETL) der Transportbranche eine verstärkte, unternehmensübergreifende Zusammenarbeit. Darüber hinaus benennt er wichtige Gründe, warum der Digitalisierungsknoten in der Transportlogistik, trotz ausgeprägtem Bewusstsein der Problemlage, noch nicht geplatzt ist.

Das Mobilitätspaket I der Europäischen Kommission stellt eine der größten Änderungen des EU-Transportwesens der letzten 40 Jahren dar und beschleunigt damit verbundene Digitalisierungsprojekte. Gleichzeitig bestehen noch immer große Potenziale in der Digitalisierung der gesamten Lieferkette. Dies verlangt eine interne wie externe Vernetzung der verschiedenen Stakeholder und Prozesse. Vor diesem Hintergrund traf sich der Expertenrat am Continental-Standort in Villingen-Schwenningen zu seiner zweiten Sitzung. Ziel des Treffens war es, die Gründe für die noch immer zögerliche digitale Transformation der Branche herauszuarbeiten. Konkret wurden insgesamt neun Hindernisse – der besseren Eingängigkeit halber als „Roadblocks“ bezeichnet – benannt:

Roadblock 1: Es gibt zu viele isolierte Systeme. Ohne übergreifende und miteinander verzahnte digitale Prozesse bleibt alles Stückwerk.

Roadblock 2: Es fehlen Standards oder Standards setzen sich nicht durch. Deshalb sind die einflussreichsten Kräfte der Transportlogistik aufgefordert, gemeinsam notwendige Standards für die Branche zu erzeugen.

Roadblock 3: Es herrscht ein Mangel an gegenseitigem Vertrauen. Erst wenn alle Teilnehmenden eines digitalen, automatisierten Prozesses sicher sein können, dass ihre Daten nicht von anderen Prozessteilnehmenden missbräuchlich genutzt werden, wird die durchgehende Digitalisierung möglich sein.

Roadblock 4: Die Unternehmenskultur ist häufig nach innen orientiert. Silos müssen abgebaut und die Türen für digitale Kooperationsprojekte mit anderen Unternehmen, Partnern, Dienstleistern und Zulieferern geöffnet werden.

Roadblock 5: Die Komplexität ist oft unnötig hoch. Die Digitalisierung sollte der Vereinfachung dienen, eine exzellente Usability erzeugen und einen hohen Nutzen bieten.

Roadblock 6: Es fehlen Innovationsbudgets, daher sollte frühzeitig geregelt werden, wer welche Ausgaben tätigt.

Roadblock 7: Der Zeithorizont vieler Projekte ist zu kurz, die Erwartungen zu hoch.

Roadblock 8: Das Sprachrohr in die Politik ist nicht laut genug, denn dort müssen die notwendigen verbindlichen Standards für Deutschland oder die EU festgelegt werden.

Roadblock 9: Es fehlen Leuchtturmprojekte und damit starke Vorbilder für fortschrittliche Projektinitiativen in Deutschland und der EU.

Es gibt bereits etliche Beispiele, die verdeutlichen, welchen Nutzen eine übergreifende Digitalisierung erbringen könnte. Die nachfolgenden Szenarien veranschaulichen dies:

Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM)
Als zentrales Online-Portal zur Bereitstellung von Verkehrsdaten funktioniert er nur dann reibungslos, wenn alle wesentlichen Infrastrukturdaten, beispielsweise die Höhe der Brücken, erfasst sind. Mit dem Datenformat DATEX II wurde bereits eine elektronische Sprache für den Austausch dynamischer Straßenstatus- und Verkehrsdaten entwickelt. Damit daraus aber für das Transportwesen ein Nutzen entsteht, gilt es, flächendeckend in Ländern und Kommunen Daten sowohl über die Infrastruktur mit Restriktionen als auch über dynamische Ereignisse wie Baustellen zu erheben und entsprechende Plattformen wie SEVAS in Nordrhein-Westfalen (sevas.nrw.de) zu etablieren.

LKW-Fahrerinnen und -Fahrer
Der Beruf befindet sich in der Krise. An allen Ecken und Enden fehlen Fahrerinnen und Fahrer, viele sind schon im fortgeschrittenen Alter, und der Nachwuchs fehlt. Dabei könnte die Digitalisierung zur Verbesserung der Situation beitragen, indem sie dafür genutzt wird, intelligenter zu planen und so den Alltag der Fahrerinnen und Fahrer zu vereinfachen und zu verbessern. Dafür müssten allerdings die Kräfte der involvierten Parteien gebündelt und operative und strategische Allianzen gebildet werden. Neben multilingualen Tools, Systemen, Formularen etc., die der Zuwanderung Rechnung tragen, sollte es eine verpflichtende Transport-Ethik zum Schutz der Fahrerinnen und Fahrer geben. Der Expertenrat empfiehlt zusätzlich, Zukunftsmodelle zu entwickeln, in denen LKW täglich länger im Mehrschichtbetrieb oder sogar rund um die Uhr im Einsatz sind. Eine Voraussetzung hierzu sind flexiblere Be- und Entladefristen sowie Arbeitszeiten. Dadurch verringern sich zum Beispiel die Parkplatzprobleme und Staus in den Peak-Zeiten, die Fahrer werden entlastet und die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert.

eCMR – der elektronische Frachtbrief
Auch wenn viele EU-Länder, darunter Deutschland, bereits zugestimmt haben, einen elektronischen Frachtbrief nutzen zu wollen, ist die Branche von einer Standardisierung noch weit entfernt. Daher wird immer noch mit Papierdokumenten gearbeitet, die Fahrerinnen und Fahrer oftmals wegen ihrer Komplexität überfordern. Deswegen sollte eine Standardisierung und inhaltliche Vereinfachung des eCMR durch eine Kooperation großer Unternehmen der Transportlogistikbranche, Verladern und Dienstleistern angestoßen werden. Damit würde vermieden, dass die Fahrer künftig mit unterschiedlichen eCMR konfrontiert wären. Auch könnte der digitale Tachograph als sicherer Speicherort und somit Transsportmittel eines standardisierten eCMR dienen.

„Viele der wesentlichen Herausforderungen, die wir identifiziert haben, besitzen einen großen gemeinsamen Nenner“, unterstrich Frauke Heistermann, eine der beiden Vorsitzenden des Expertenrats. „Die Unternehmen müssen die Digitalisierung gemeinsam angehen – mit Kunden, Lieferanten und ihren Partnern. Alleingänge werden nur einen Bruchteil des Potenzials realisieren.“ Natürlich könnten auch bei isoliertem Vorgehen einzelne Erfolge in der Digitalisierung von Prozessen erzielt werden. Doch wenn das große Ziel aller Anstrengungen die vollständige Digitalisierung sowie eine Automatisierung der Daten und Prozesse entlang der Lieferkette sei, dann lasse sich ohne ein radikales Umdenken über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus dieses Ziel nicht erreichen, so Frauke Heistermann.

Die zehn Ratsmitglieder sind sich einig: Isolierte Systeme und Projekte in den Unternehmen und Organisationen müssen miteinander und untereinander vernetzt werden. Abgeschottete Digitalisierung führt nur zu kleinteiligen Verbesserungen. Dazu Frauke Heistermann: „Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass digitale Lösungen und Vernetzung eine enge Zusammenarbeit, ein besseres Verständnis des Gesamtprozesses und einen ehrlichen Abgleich der Erwartungshaltungen erfordern. Geschieht das erfolgreich, entstehen enorme Wettbewerbsvorteile, zum Beispiel mehr Resilienz, Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, operative Exzellenz und neue Umsatzpotenziale.“

Professor Thomas Krupp, der zweite Co-Vorsitzende des ETL, zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen des Arbeitskreises: „Haben wir in der ersten Sitzung noch die Aufgaben und Themen des Expertenrats sondiert, so fand diesmal eine intensive Diskussion über die Hürden der digitalen Transformation statt. Das mündete in konkreten Empfehlungen an die Branche und deren wichtigste Player sowie in eine Aufforderung mit zweifacher Bedeutung: EINFACH machen und einfach MACHEN!“

Die nächste Sitzung des Expertenrats findet im Frühjahr 2024 statt.

Der Katalog mit den Roadblocks steht hier zum Download bereit.

Die erste Folge des Expertenrat-Podcasts

Oliver Heil
Autor des Blogbeitrags zur ersten Folge des Podcasts: Oliver Heil

„Vertrauen“, „Gemeinsam“, „Teilen statt Horten“ – Wie kann es eine Branche schaffen, ihre Probleme gemeinsam zu lösen, wenn zugleich die Unternehmen fast minütlich in einem scharfen Wettbewerb stehen, bei dem es um die Nachkommastellen beim Preis geht? Die drei Begriffe oben sind so in meinem Gespräch mit den Vorsitzenden des Expertenrates Digitalisierung in Transport und Logistik, Frauke Heistermann und Professor Dr. Thomas Krupp, gefallen. Das Gespräch haben wir als Podcast-Folge veröffentlicht. Es war für mich ein besonderes Erlebnis, diese beiden anerkannten Vordenker der Transport- und Logistikbranche in der Diskussion zu erleben. In diesem Blogbeitrag möchte ich die Aussagen, die mir besonders gut gefallen haben, zusammenfassen. Und, keine Sorge, falls Sie anhand der Begriffe oben vermuten, wir hätten nur realitätsferne Kuschelbegriffe ausgetauscht, liegen Sie falsch. Es geht ums Geschäft, um die Zukunft des Geschäfts – und natürlich um die Digitalisierung des Geschäfts. Thomas Krupp sagte direkt am Anfang etwas sehr Treffendes zum Expertenrat:

  • In dem Expertenrat-Meeting hat sich wieder gezeigt, welche Dynamik entsteht, wenn Anforderungen auf Lösungen, auf Potenziale treffen; eine Atmosphäre der Kreativität entsteht und Gedanken greifbar im Raum hin und her fliegen. Dadurch entsteht etwas, das mehr ist als bloß die Summe der einzelnen Teile, sondern etwas insgesamt viel Größeres.

Was im Expertenrat so eindrucksvoll zu erleben war, nämlich den offenen Austausch der Gedanken, das verlangt Frauke Heistermann auch im Umgang mit den Daten:

  • Für euch (bei Continental, Ergänzung d. Verf.) hört sich das vielleicht selbstverständlich an, etwas gemeinsam zu tun, gemeinsam Daten zu nutzen, gemeinsam etwas voranzutreiben. Das ist aber gar keine Selbstverständlichkeit und heute noch immer eine Hürde in der Digitalisierung. Denn viele sagen, ich sitze auf einem Datenschatz, den will ich aber nicht teilen. Daten werden erst dann besonders wertvoll, wenn ich sie teile, aber nicht, wenn ich sie nur für mich horte. Deswegen kann ich nur an alle Stakeholder des Straßengüterverkehrs appellieren, die Offenheit zu haben, Daten zu teilen, und zu schauen, wie man gemeinsam aus Daten wirklich Mehrwerte schaffen kann.

Was Frauke hier gesagt hat, gilt natürlich auch für Continental bzw. VDO Fleet. Unsere Kunden haben auf der Grundlage unseres digitalen Tachographen einen Datenschatz erzeugt. Wir haben mit unserer Kompetenz für den Tachographen und für Fahrzeugdaten insgesamt den Schlüssel zu diesem Schatz. Im Grunde ist es so wie bei Hochsicherheitssystemen, wo man zwei Schlüssel braucht, um die Tür öffnen zu können. Wir haben den einen und die Unternehmen den anderen, und wenn wir beide gleichzeitig unsere Schlüssel einfügen und umdrehen, dann heben wir den Schatz und nutzen ihn für die Herausforderungen der Branche, wie Thomas Krupp unterstrich:

  • Wenn wir uns mal die Herausforderungen ansehen, vor denen die Branche steht, dann stellen wir fest, dass sie alle gemeinschaftlich betreffen: angefangen von der Laderaumknappheit bis hin zum Verkehrsinfarkt und dem Thema Fahrermangel. Wir haben in unserem Expertenrat die Menschen, die dort sitzen, wo der Schuh drückt, die verstehen, wo die Probleme, die Herausforderungen in der Praxis sind, die aber gleichzeitig auch eine Offenheit haben für Lösungen und, ganz wichtiges Thema, auch für gegenseitiges Vertrauen.
  • Wir wollen Lösungsansätze entwickeln, die tatsächlich praktikabel anpackbar und konkret sind. Sie sollten das Potenzial haben, wirklich Optimierungen, Verbesserungen herbeizuführen, und zwar in der täglichen Realität. Eine Transportkette digital zu durchdenken, das ist technisch, etwas provokativ formuliert, gar nicht das große Problem. Ich muss aber die ganzen Akteure alle zusammen an einen Tisch bringen, damit sie sich einigen, wie die Dinge getan werden sollen und die Dinge auch entsprechend tun.
  • Die Pain Points der Branche sind real. Sie existieren nicht auf der Folie und sind irgendwelche Damoklesschwerter, die morgen oder übermorgen drohen, sondern wir sind ganz akut in Situationen, wo es an allen Ecken und Enden hakt. Es ist jetzt in vielen Bereichen eher 5 nach 12 als 5 vor 12. Ob Fahrermangel oder fehlender Frachtraum, das ist etwas, was die Branche ganz massiv trifft. Da helfen keine PowerPoint-Folien, um das zu verändern.

Frauke Heistermann war es besonders wichtig, das Thema Nachhaltigkeit ins Spiel zu bringen und die künftigen Themen des Expertenrats zu setzen:

  • Genauso ist es mit vielen anderen Themen, zum Beispiel Nachhaltigkeit, wo die Digitalisierung hilft, den CO2-Ausstoß zu verringern, Leerkilometer zu vermeiden, bessere Auslastung hinzubekommen und Strecken zu optimieren; Krisenmanagement, gesetzliche Vorschriften, Compliance, Mobility Package bis hin zum Lieferketten-Sorgfaltsgesetz. Das sind die Themen für die nächsten 20 Jahre und die wichtigsten Themen für den Expertenrat.

Wie heißt es so schön: „Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!“ Und wie immer entwickeln sich die Dinge schneller, als wir es manchmal ahnen können. Die nächste Sitzung des Expertenrats findet am Dienstag, den 26. September 2023, in Villingen auf unserem Continental-Gelände statt. Dort, wo seit vielen Jahrzehnten Tachographen gefertigt werden und einen Steinwurf von der Uhrenfabrik Kienzle entfernt, wo vor 100 Jahren mit der Autorex-Uhr der allererste Proto-Tachograph gebaut wurde. Dort werden wir wieder die Gelegenheit haben, uns den vielfältigen Herausforderungen der Branche zu widmen.

Das 5-Phasenmodell der digitalen Transformation

Prof. Dr. Thomas Krupp erklärt das 5-Phasenmodell der Digitalisierung
Autor: Prof. Dr. Thomas Krupp, Vorsitzender des ETL

Die digitale Transformation ist ein Vorgang, der nahezu jedes Unternehmen in der Logistikbranche – von Transportunternehmen, Speditionen bis hin zum Kontraktlogistikdienstleister – erfasst hat und sich mit einem 5-Phasenmodell veranschaulichen lässt. In manch einem Betrieb mag das bedeuten, dass vorher ausgedruckte und von Hand ausgefüllte Listen per Post verschickt wurden, die heute in Excel angelegt, in der Cloud gespeichert und per E-Mail verschickt werden. Doch Digitalisierung ist viel mehr als die 1:1-Übertragung eines analogen Prozesses ins Digitale – sie bietet das Potenzial, Prozesse zu verbessern, Arbeit zu erleichtern und sogar neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dabei ist zu beachten, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist. Vielmehr schafft sie Chancen zur (informationstechnischen) Verknüpfung aller Partner eines Wertschöpfungsnetzwerks. Die Verknüpfung zwischen den Akteuren und der damit verbundene Datenaustausch ermöglichen erst eine ganzheitliche systemische Planung, Steuerung und Koordination der Transferprozesse im Wertschöpfungsnetzwerk. So werden im operativen Geschäft Ineffizienzen wie Leerfahrten oder Unterauslastungen reduziert oder die Verfolgung bzw. der Nachweis zur Einhaltung gesetzlicher Anforderungen erleichtert. Im strategischen Bereich entstehen Potenziale zur Entwicklung und zum Aufbau neuer Geschäftsmodelle.

Um zu verstehen, warum Digitalisierung ein essenzieller Schritt für die Branche ist, muss man verstehen, wie sie grundlegend funktioniert und abläuft:

Dieser zum Teil langwierige Prozess muss mit der Entwicklung einer konkreten Strategie starten. Die digitale Transformation fokussiert zunächst das eigene Unternehmen bzw. die unternehmenseigenen Prozesse und wird sukzessiv auf die Akteure des Unternehmensumfeldes, angefangen von den direkten Partnern vor und nach der Lieferkette bis hin zu allen Akteuren in der Supply Chain, ausgeweitet.

Konkret beginnt die digitale Transformation mit der umfassenden Analyse der aktuellen Geschäftsprozesse, Technologien und Herausforderungen, um den digitalen Reifegrad des Unternehmens zu bewerten und mit der Festschreibung einer klaren Digitalisierungsstrategie, die die Ziele, Maßnahmen und Ressourcen für die digitale Transformation festlegt.

Dann sollten die geeigneten digitalen Technologien ausgewählt und implementiert werden. Hierbei ist es besonders wichtig, die Datensicherheit und Einhaltung der Datenschutzrichtlinien sicherzustellen, um das Vertrauen der Kunden und Partner zu wahren. Digitalisierung verändert auch stets die Unternehmenskultur, indem sie um eine Innovationskultur ergänzt wird, die das Experimentieren und Testen neuer Ideen unterstützt. Indem sich Marktakteure konsequent auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden fokussieren, können sie digitale Lösungen entwickeln, die einen echten Mehrwert bieten.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Methodik der Digitalisierung kein starres Modell ist, sondern sich den individuellen Gegebenheiten und Herausforderungen eines Unternehmens anpasst. Eine erfolgreiche digitale Transformation erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, die Geschäftsprozesse, Technologie, Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen berücksichtigt.

Digitalisierung ist ein langwieriger Prozess – das 5-Phasenmodell

Schon seit vielen Jahren ist die kontinuierliche Digitalisierung der Unternehmensprozesse im Gange. Wenn man die Veränderung genauer betrachtet, erkennt man in der Praxis 5 verschiedene Phasen. Diese Unterteilung in Phasen ermöglicht ein tieferes Verständnis in den Fortschritt der Digitalisierung, in seine Herausforderungen und lässt Prognosen zu zukünftigen Entwicklungen zu. Das 5-Phasenmodell der Digitalisierung1, an dem viele Akteure in den letzten Jahren gearbeitet haben, beschreibt typische Etappen oder Stufen, die Unternehmen auf dem Weg zur vollständigen Integration digitaler Technologien und Prozesse durchlaufen:

  • Phase 1: Digital Awareness (Digitale Sensibilisierung). In dieser Phase erkennen Unternehmen die Notwendigkeit der digitalen Transformation. Sie beginnen damit, sich über die Potenziale und Herausforderungen der Digitalisierung zu informieren und erste Schritte in Richtung digitaler Technologien zu unternehmen.
  • Phase 2: Digital Experimentation (Digitale Experimente). Hier führen Unternehmen erste Pilotprojekte durch, um digitale Technologien und Prozesse zu erproben. Es werden kleine Projekte gestartet, um die Machbarkeit und den Nutzen digitaler Lösungen zu testen. Das sind beispielsweise Projekte, in denen Unterlagen in Papierform digitalisiert werden.
  • Phase 3: Digitalization (Digitalisierung). In dieser Phase beginnt die systematische Integration digitaler Technologien in die bestehenden Geschäftsprozesse. Unternehmen setzen auf digitale Lösungen, um Effizienz und Produktivität zu steigern. Dabei können Bereiche wie Automatisierung, Datenanalyse, Cloud-Computing und Online-Präsenz eine Rolle spielen.
  • Phase 4: Digital Transformation (Digitale Transformation). Nun durchdringen digitale Technologien das gesamte Unternehmen und haben einen grundlegenden Einfluss auf die Geschäftsmodelle und -prozesse. Die digitale Transformation betrifft nicht nur interne Abläufe, sondern auch die Art und Weise, wie Produkte und Dienstleistungen angeboten werden.
  • Phase 5: Digital Maturity (Digitale Reife). Das Unternehmen ist vollständig digitalisiert und zeigt eine hohe Anpassungsfähigkeit gegenüber technologischen Veränderungen. Digitale Technologien sind fest in der Unternehmenskultur verankert, und das Unternehmen ist in der Lage, schnell auf neue digitale Trends zu reagieren und Innovationen voranzutreiben.

Die Digitalisierung ist jedoch kein starres oder linear verlaufendes Konzept. Unternehmen können sich in verschiedenen Phasen gleichzeitig befinden oder in einzelnen Bereichen schneller voranschreiten als in anderen. Die Geschwindigkeit und der Erfolg der digitalen Transformation hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Unternehmensgröße, der Branche, den vorhandenen Ressourcen, den Kompetenzen und der Führungskultur. Ein erfolgreiches Phasenmodell der Digitalisierung berücksichtigt diese Faktoren und ermöglicht eine schrittweise, aber zielgerichtete Umsetzung der digitalen Transformation.

Von Closed zu Open Innovation

Eine weitere Trendwende gibt uns, dem Expertenrat, nun Rückenwind für unsere Mission. Lange Zeit hat die Branche in Form von Closed Innovation gedacht. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre Forschung, Entwicklung und Innovationen nur innerhalb der Grenzen des eigenen Unternehmens durchführen, ohne aktiv nach externem Input oder der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen zu suchen. Bei diesem Modell bleiben alle Aspekte des Innovationsprozesses, von der Ideenfindung bis zur Vermarktung, intern und werden in der Regel als geschütztes Gut gehütet.

Nun öffnen sich die Unternehmen auch in der Logistik im Sinne einer „Open Innovation“. Hier geht es darum, über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinauszuschauen und externe Partner, Kunden, Lieferanten oder Experten aktiv in den Innovationsprozess einzubeziehen. Die Idee hinter Open Innovation ist, dass ein Unternehmen allein nicht die notwendigen Ressourcen und Innovationen besitzen kann, um den digitalen Wandel erfolgreich zu bewältigen.

Beispielsweise können Unternehmen mit Kunden oder anderen Unternehmen gemeinsam digitale Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Dabei werden die Bedürfnisse der Zielgruppe direkt berücksichtigt, sodass die Lösungen besser auf die Anforderungen des Marktes zugeschnitten sind. Unternehmen gehen strategische Partnerschaften mit Startups, Technologieanbietern oder Forschungseinrichtungen ein, um von deren Fachwissen und Technologien zu profitieren. Oder sie nutzen Online-Plattformen, wo Ideen und Technologien öffentlich geteilt und gemeinsam weiterentwickelt werden können. Gemeinsam können Vorhaben entwickelt werden, die größer sind als die Summe verschiedener Einzelprojekte der unterschiedlichen Akteure.

Die Vorteile von Open Innovation sind vielfältig. Durch den Zugang zu externen Ideen und Kompetenzen reagieren Unternehmen schneller auf technologische Veränderungen und entwickeln schneller innovative Lösungen. Zudem kann die Zusammenarbeit mit externen Partnern Kosten und Risiken reduzieren, da nicht alle Entwicklungen intern durchgeführt werden müssen. Es fördert zudem eine Kultur der Offenheit und Kooperation, die die Innovationskraft des Unternehmens stärkt.

Hier gibt es große Herausforderungen und Fragen, die jede Organisation für sich beantworten muss: Wie schütze ich mein geistiges Eigentum? Wie kann ich über ein gemeinschaftliches, übergreifendes vernetztes Vorgehen neue Geschäftsmodelle entwickeln? Wie integriere ich externe Innovationen in meine bestehenden Unternehmensstrukturen? Welcher Strategie soll ich nachgehen, um die Vorteile von Open Innovation im Rahmen der Digitalisierung optimal zu nutzen? Wie wähle ich die passenden Partner aus?

Die Welt der (Straßen-)Transportlogistik steht vor großen Herausforderungen und wird komplexer. Und niemand kann alles alleine, jedenfalls kann es sich niemand finanziell leisten, alles zu können und Kompetenzen in allen Geschäftsbereichen aufzubauen.

Open Innovation braucht externe Unterstützung

Da niemand in irrelevante Dinge investieren oder Abhängigkeiten erzeugen will, suchen viele Unternehmen externe Unterstützung. Jetzt schlägt die Stunde des Expertenrats, denn es ist unsere Mission, als Wegweiser durch die Digitalisierung​ zu dienen, Unternehmen bei der Entwicklung datengetriebener Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen, die künftigen Bedürfnisse des Marktes zu benennen, ​Partner zu identifizieren und den Aufbau von Partnernetzwerken zu unterstützen.

Wir stehen Ihnen dabei gerne mit Rat und Tat zur Verfügung. Sollten Sie also zu diesen oder weiterführenden Inhalten und Themen Fragen oder Anregungen haben oder uns Impulse für unsere Arbeit geben wollen, dann schicken Sie einfach eine Mail an: info@derexpertenrat.de. Wir freuen uns auf Ihren Input.

1 Beispiele für bekannte Phasenmodelle und Frameworks, die Aspekte der digitalen Transformation abdecken, sind:

McKinsey’s Three Horizons Model: Ein Modell, das sich auf Innovationen und Wachstum konzentriert und in drei Horizonte unterteilt ist, um kurz-, mittel- und langfristige Initiativen zu beschreiben: https://www.mckinsey.com/capabilities/strategy-and-corporate-finance/our-insights/enduring-ideas-the-three-horizons-of-growth

Das 4E-Modell der digitalen Transformation von Capgemini: Ein Framework, das vier Phasen der digitalen Transformation umfasst – Experimentieren, Entwickeln, Erweitern und Skalieren. https://www.capgemini.com/consulting-de/wp-content/uploads/sites/32/2017/08/change_management_studie_2012_0.pdf Das Stufenmodell der digitalen Transformation von Westerman, Bonnet und McAfee: Ein Modell, das die digitale Transformation in drei Stufen unterteilt – Digitale Optimierung, Digitale Umgestaltung und Digitale Neuerfindung. (Westerman / McAfee / Bonnet: Leading Digital. Turning Technology into Business Transformation. Buch. Hardcover 2014. In englischer Sprache. Ingram Publisher Services. ISBN 978-1-62527-247-8); https://www.amazon.de/Leading-Digital-Technology-Business-Transformation-ebook/dp/B00NE6MG0Y/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&crid=WXQFQOVQI9MF&keywords=Westerman%2C+McAfee%2C+Bonnet&qid=1690361486&sprefix=westerman+mcafee+bonnet%2Caps%2C76&sr=8-1

Der Expertenrat „Digitale Transformation in Transport und Logistik“: Ein Wegweiser für die Branche

Frauke Heistermann ist Vorsitzende des Expertenrats
Autorin: Frauke Heistermann, Logistikexpertin, Unternehmerin, Aufsichtsrätin

Unsere Branche steckt in einem umfassenden Wandlungsprozess. Die Digitalisierung erfasst fast alles: jeden Arbeitsprozess, jedes Gerät, jeden Mitarbeitenden. Diese Veränderung stellt althergebrachter Prozesse und Denkmuster in Frage und bietet damit die Chance für Verbesserung und Neuerungen. Viele Unternehmen haben inzwischen festgestellt, dass sie den wahren Wert der Digitalisierung und vor allem ihr Innovationspotential erst dann voll ausschöpfen können, wenn sie ihr Schneckenhaus verlassen, ihre Perspektive auf große Bereiche der Supply Chain erweitern und hier mit anderen Unternehmen, Partnern, Dienstleistern, Startups etc. kooperieren.

Aber wer macht den ersten Schritt? Wo besteht das notwendige Vertrauen als Voraussetzung zum Teilen von Daten? Und wird es am Ende eine win-win-Situation sein oder profitieren manche viel mehr und andere viel weniger? Damit die digitale Transformation erfolgreich ist, braucht es Wegweiser oder besser: Lotsen. Wir haben den Expertenrat „Digitale Transformation in Transport und Logistik“ gegründet, weil wir diese Lotsen für die Branche sein und eine win-win-Situation schaffen wollen. Weil wir aber auch sehen, dass die Hindernisse auf dem Weg dorthin hoch sind und wir bei deren Überwindung gezielt Hilfestellungen geben können und wollen.

Expertenrat zeigt konkrete Handlungsfelder für die Umsetzung der digitalen Transformation auf

Wir haben uns deswegen im Rahmen eines Brainstormings während der ersten Sitzung des Expertenrats typische Hindernisse genau angeschaut sowie konkrete Themen und Handlungsfelder benannt, denen wir uns in nächster Zeit widmen wollen. Zu den Handlungsfeldern zählen unter anderem:

  • Benennung von Schnittstellen und offenen cloudbasierten Plattformen,
  • Anstoß von Change-Prozessen,
  • Aufbau von Vertrauen in andere Akteure,
  • Abbau von Blockadehaltungen,
  • Definition von Vorbildern durch Kommunikation von positiven Anwendungsbeispielen,
  • Verbesserung der operativen Exzellenz,
  • Förderung digitaler Infrastrukturen,
  • Aufzeigen erfolgreicher digitaler Prozesse,
  • Adressieren der Pain Points innerhalb der digitalen Transformation,
  • Definition und Beschreibung von Lösungswegen,
  • ​Konkrete Analyse des Mobility Packages und Verdeutlichung des konkreten Nutzens für die Digitalisierung.

Wenn wir uns typische Hürden in der digitalen Transformation anschauen, dann finden wir immer wiederkehrenden Muster, aus denen wir konkrete Aufgabenstellungen ableiten können:

  1. Hohe Kosten: Die Implementierung neuer digitaler Technologien und die Schulung der Mitarbeiter erfordern oft beträchtliche Investitionen, die für viele Unternehmen eine finanzielle Belastung darstellen können. ➡️ Wie können wir die digitale Transformation kosteneffizient gestalten?
  2. Komplexität: Die Möglichkeit zur Digitalisierung z.B. bei der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit entlang der Lieferkette sind äußerst umfassend und komplex. ➡️ Wie können wir diese Komplexität im Rahmen der Transformation reduzieren?
  3. Skepsis: Mitarbeiter:innen und Führungskräfte stehen Veränderungen, die mit der digitalen Transformation einhergehen, teilweise kritisch gegenüber. Die Angst vor dem Unbekannten, die Sorge um Arbeitsplatzverlust oder der Mangel an digitalen Fähigkeiten können zu Widerständen führen. ➡️ Wie können wir die Mitarbeiter:innen und Führungskräfte für die digitale Transformation gewinnen?
  4. Datenschutz- und Sicherheitsbedenken: Mit der zunehmenden Digitalisierung entstehen auch Risiken z.B. im Zusammenhang mit Datenschutz und Cyber-Sicherheit. Unternehmen müssen sich mit diesen Bedenken auseinandersetzen und angemessene Schutzmaßnahmen ergreifen. ➡️ Wie können wir im Rahmen der digitalen Transformation die Cybersecurity gewährleisten?
  5. Mangelnde Expertise: Die Einführung neuer Technologien erfordert oft spezialisiertes Know-how, das möglicherweise in einem Unternehmen nicht vorhanden ist. Der Mangel an qualifizierten Fachkräften kann die digitale Transformation behindern. ➡️ Wie können wir geeignetes Know-how für die digitale Transformation aufbauen?
  6. Integrationsprobleme: Bestehende Systeme und Daten müssen oft in neue digitale Lösungen integriert werden. Es können Probleme bei der Generierung einer richtigen und vollständigen Datengrundlage und Schwierigkeiten bei der Migration von Altsystemen auftreten. ➡️ Wie gehen wir in der digitalen Transformation mit Legacy-Strukturen um?
  7. Kulturelle Veränderungen: Die digitale Transformation erfordert auch eine Veränderung der Unternehmenskultur und Arbeitsweisen. Die Umstellung von eingefahrenen, traditionellen auf digitale Prozesse kann herausfordernd sein und eine offene und unterstützende Unternehmenskultur ist entscheidend. ➡️ Wie bewältigen wir innerhalb der digitalen Transformation den kulturellen Change – auch um mehr Innovationen zu ermöglichen?
  8. Risiko und Kosten des Scheiterns: Die digitale Transformation ist keine Garantie für den Erfolg. Es besteht immer das Risiko, dass Investitionen nicht die erwarteten Ergebnisse liefern oder dass Umsetzungsprobleme auftreten. ➡️ Wie können wir innerhalb der digitalen Transformation das Risiko und die Kosten des Scheiterns minimieren?

Die Bewältigung dieser Pain Points erfordert eine sorgfältige Planung, klare strategische Ziele und die Einbeziehung aller relevanten Stakeholder innerhalb und außerhalb des Unternehmens.

Es gibt also eine Vielzahl an Aufgaben und Herausforderungen, die wir mit Engagement und Entschlossenheit in Angriff nehmen müssen, und es liegt noch viel Arbeit vor uns, um unsere Ziele zu erreichen.

Haben Sie zu diesen oder weiterführenden Inhalten und Themen Fragen oder Anregungen? Gerne nimmt der Expertenrat Impulse für seine Arbeit auf. Schicken Sie einfach eine Mail an: info@derexpertenrat.de.